Computeranwendungen und Quantitative Methoden in der Archäologie
Sitzung bei der Tagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung e.V. in der Hansestadt Lübeck
05.09.2013
Die AG CAA lud zu einer Vortragssektion zum Thema “Offen in alle Richtungen: Zu methodischen Aspekten der Landschaftsarchäologie” bei der Tagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung e.V. nach Lübeck ein (Für weitere Informationen zur Tagung http://www.nwdv.org/pages/tagungen/lFCbeck-2013.php)
Programm
Uhrzeit
Vortrag
9:00
Martin Hinz, Johannes Müller, Oliver Nakoinz: Landschaftsarchäologie – Innovative Aspekte zur Modellierung von sozialem Raum und Landschaft
9:30
Jutta Lechterbeck: Neolithische Landschaftsveränderungen im westlichen Bodenseegebiet – Rekonstruktion von anthropogenen Vegetationsveränderungen mit dem Landscape Reconstruction Algorithm
10:00
Kaffee-/Teepause
10:30
Tim Kerig, Andrew Bevan, Stephen Shennan: Zur Bedeutung der Besiedlungsdichte für die Fernbeziehungen im mitteleuropäischen Neolithikum
11:00
Ines Klenner: Archäologische Wegeforschung am keltischen Oppidum von Bibracte
11:30
Oliver Nakoinz: Interaktionsstrukturen in der Landschaft – Modellierung neolithischer und bronzezeitlicher Wegesysteme in Schleswig-Holstein
12:00
Irmela Herzog: Analyse von mittelalterlichen Siedlungsmustern im Oberbergischen Kreis
12:30
Mittagspause
14:00
Daniel Nösler, Maren Lindstaedt, Thomas P. Kersten: Von historischen Luftbildern der Royal Air Force bis zum 3D Laserscanning. Eine vorgeschichtliche Wallanlage bei Oersdorf im Landkreis Stade
14:30
Undine Lieberwirth, Markus Neteler, Markus Metz, Bernhard Fritsch: Hochauflösende 3D-Dokumentation (Punktwolken) archäologischer Stratigraphie mit Low-Budget-Ausrüstung und Open-Source-Analysesoftware
15:00
Karin Göbel: Die Altgrabungen im Duvenseer Moor – eine besondere Herausforderung für die GIS-Analyse
15:30
Kaffee-/Teepause
Abstracts
(Abstract wird durch Klick auf den Titel angezeigt)
Johannes Müller, Martin Hinz u. Oliver Nakoinz: Landschaftsarchäologie – Innovative Aspekte zur Modellierung von sozialem Raum und Landschaft
In der Graduiertenschule „Human Development in Landscapes“ arbeiten unterschiedliche Initiativen an Modellierungen von „Sozialem Raum“ und „Umwelt“ in prähistorischen Gesellschaften.Zunehmend wird deutlich, dass prähistorische Gesellschaften erheblich komplexer waren als bislang angenommen. Diese Erkenntnis folgt aus der zunehmend umfangreicher und interdisziplinärer werdenden Datenbeständen, den ausgereifteren Werkzeugen und den vielfältigen durchgeführten Analysen. Wir müssen nun versuchen diese Komplexität mit angemessenen Modellen abzubilden. Die Lösung ist nicht die Nutzung von immer komplizierteren Modellen und größeren Rechnerkapazitäten, denn dadurch stoßen wir bei der Interpretation auf kognitive Grenzen.Wir möchten einen Lösungsansatz propagieren, die folgenden Leitlinien berücksichtigt:
Konsequente Anwendung eines modelltheoretischen Ansatzes.
Abbildung komplexer Systeme durch komplementäre einfache Modelle.
Systematische Integration beschränkter älterer Ansätze in ein Gesamtkonzept.
Indizierung von Systemparametern durch Proxys.
Stärkere Berücksichtigung “weicher” kultureller Faktoren und sozialer Entwicklungen.
Validierung, oder Verifizierung aller Ergebnisse, insbesondere durch Gegenüberstellung theoretischer und empirischer Modelle.
Ein System, das sozialen Raum und Naturraum als komplementäre Komponenten enthält ist zahlreichen Einflussfaktoren aus beiden Sphären ausgesetzt, wie zum Beispiel Ökologie, Ökonomie, Ideologie. Die Aufgabe ist es nun, mit sinnvoll beschränkten Daten und Modellen saliente soziale, ökonomische, ökologische und kulturelle Parameter zu ermitteln und daraus historische Strukturen und Prozesse abzuleiten.
Die erforderlichen theoretische Grundlagen sind verhältnismäßig gut aufgearbeitet. Einige Stichworte mögen das Aufzeigen. Der soziale Raum wird im Rahmen der sozialen Interaktion konstruiert und manifestiert sich in der Kulturlandschaft. Hier wenden wir einen semiotischen Landschaftsbegriff an, der Landschaft als wahrgenommene, interpretierte und mit Bedeutung aufgeladene Umwelt versteht. Landschaftselemente wie auch materielle Kultur treten neben dem Menschen als Akteure bei der Aushandlung neuer Bedeutungshorizonte auf.
Einige, nur knapp genannte Fallbeispiele mögen Aussagemöglichkeiten unterschiedlicher Methoden aufzeigen. Diese Beispiele lassen das Erkenntnispotential erahnen, das die gezielte Methodenkombination künftig ermöglichen können.
Die Analyse kultureller Räume der älteren Eisenzeit deutet die Überlagerung unterschiedlicher Interaktionsräume mit den Fürstensitzen in der Funktion als Gateway an.
Die Fundstellenverteilung, Voronoimodellierungen und Netzwerkanalyse um Lossow/Lebus und Aleppo indizieren Polyzentralität und Netzwerkzentralität. Dies führt zu einer erweiterten Zentralitätstheorie und legen die Überlagerung von Interaktionsnetzen und Räumen und damit unterschiedlicher Raumwahrnehmungen nahe.
Unterschiedliche Distanzkartierungen kultureller Ähnlichkeiten erlauben die Gegenüberstellung von relativem und absoluten Raum und indizieren Parameter der Raumwahrnehmung.
Least Cost Path Analysen auf der Basis stein- und bronzezeitlicher Monumente indizieren ‘Sicherheit’ als neu auftretenden Parameter der Wegeführung (eigener Vortrag in dieser Sektion)
Dichtekartierungen, Gleitfensterdatierungsfilterung und Summenkalibrierungen indizieren einen mehrstufigen Prozess der Ausbreitung der Brandgrabsitte, bei dem kulturelle Parameter eine Rolle spielen (eigener Vortrag in der Sektion Bronzezeit). Die Kartierung von Kupferdolchen legt kulturelle Einflussfaktoren der Innovationsausbreitung nahe.
Das Zusammenführen verschiedenster Proxys zu Demographie, menschlichen Einfluss auf die Umwelt, stilistische Entwicklung von Keramik und Monumentalität im Rahmen eines Modells adaptiver Zyklen für die geschichtliche Interpretation der Dynamik innerhalb der Trichterbecherzeit.
Wir haben die Tür aufgestoßen, durch die wir ansatzweise den hohen Grad der Komplexität prähistorischer Gesellschaften erkennen können. Künftig gilt es die Methoden und Modelle zu systematisieren und durch die gezielte Kombination die wesentlichen Facetten komplexer Strukturen abzubilden.
Jutta Lechterbeck: Neolithische Landschaftsveränderungen im westlichen Bodenseegebiet – Rekonstruktion von anthropogenen Vegetationsveränderungen mit dem Landscape Reconstruction Algorithm
Mit dem Beginn der produzierenden Wirtschaftsform erreicht der menschliche Einfluss auf die Landschaft eine neue Qualität. Unmittelbar kann die Landschaftsveränderung an Vegetationsentwicklungen abgelesen werden. Aufschlüsse über die großflächigen und nachhaltigen Veränderungen durch die ersten Bauern gibt die Pollenanalyse. Die prozentualen Veränderungen der Zusammensetzung von Pollenspektren zeichnen die Entwicklung der Vegetation nach. Jedoch sind Pollenspektren kein direktes Abbild der Vegetation: zum einen produzieren verschiedene Pflanzen unterschiedliche Pollenmengen zum anderen spielen Ablagerungsprozesse und vor allem die Art und Größe der Archive – Seen oder Moore – eine nicht unerhebliche Rolle. Die Rekonstruktion der Vegetationsbedeckung anhand der Pollendaten ist also schwierig – bisher konnten Pollenanalytiker nicht mehr als einen „qualified guess“ abgeben.In den letzten Jahrzehnten wurden Methoden entwickelt, das Verhältnis von Pollenniederschlag und Vegetation quantitativ zu erfassen und dieses als Basis für eine voll quantitative Rekonstruktion zu nutzen. Diese Anstrengungen gipfelten in der Formulierung des „Landscape Reconstruction Algorithm (LRA)“, der aus zwei Modulen besteht: REVEALS (Regional Estimates of Vegetation Abundance from Large Sites) und LOVE (Local Vegetation Estimates). Der LRA erlaubt die Bestimmung des Prozentsatzes, den eine Art (Taxon) an der Vegetation ausmachte auf der Basis seines Anteils am Pollenspektrum. Darüber hinaus wird das relevante Einzugsgebiet für den Pollenniederschlag bestimmt, so dass erstmalig die Reichweite einer Rekonstruktion beziffert werden kann.Hier sollen nun erste Anwendungen des Landscape Reconstruction Algorithm auf Pollendaten der westlichen Bodenseeregion vorgestellt werden. Für verschiedene neolithische Zeitscheiben werden quantitative Vegetationsrekonstruktionen durchgeführt, Vegetationstypen definiert und geomorphologischen Einheiten zugewiesen. Daraus lässt sich erstmalig die dynamische Entwicklung der Vegetation und damit der Landnutzung sowohl zeitlich als auch räumlich nachzeichnen. Damit ist es möglich die Auswirkungen bäuerlicher Siedlungstätigkeit, wie sie archäologisch nachgewiesen ist, zu erfassen.
Tim Kerig, Andrew Bevan, Stephen Shennan: Zur Bedeutung der Besiedlungsdichte für die Fernbeziehungen im mitteleuropäischen Neolithikum
Die Bevölkerungsdichte ist zweifellos ein bedeutender Parameter für die Beschreibung von Austauscherscheinungen: Bei höherer Dichte ist die notwendige Aufwendung geringer, um einen arbiträren Tauschpartner zu finden.Wir untersuchen den Zusammenhang zwischen Kulturarealen (d.h. dem geographischen Raum, der einer archäologischen Kultur zugewiesen wird), der Populationsdynamik (dem Anstieg/Fall der Bevölkerungsdichte) und der Versorgung mit solchen Rohmaterialien (Metall und Silex), die aus größerer Entfernung (in der Regel mehr als 150 km) herangebracht worden sein müssen.Wir nutzen einen demographischen Proxie: Die Anzahl radiokarbondatierter archäologischer Fundstellen wird als potentiell demographisch relevant erachtet. Radiokarbondaten werden als Wahrscheinlichkeitsdichteverteilungen aufgefasst, die summiert werden können. Diese Überlegung wird seit Anfang der siebziger Jahre genutzt, um das Ausmaß von Siedlungsaktivitäten gesamthaft abzuschätzen. Kurz vorgestellt wird eine entscheidende Weiterentwicklung, die neben der Darstellung von Wahrscheinlichkeitsdichten summierter und kalibrierter Radiokarbondaten erstmals auch die Angabe von Signifikanzen ermöglicht. Wir testen erstmals, inwieweit die summierten Daten als demographischer Proxie tragfähig sind und wenden diesen Proxie auf jene Zeitabschnitte an, die als robust ausgewiesen sind.Wir benutzen den Prague-Atlas (Buchvaldek et al. 2007) als Standard für die Darstellung archäologischer Kulturen bzw. der ihnen zugewiesenen Verbreitungsgebiete. Wir berechnen die insgesamt besiedelte Fläche in Zeitfenstern von 200 bis 300 Jahren und setzen diese zur Populationsgröße in Beziehung.Schließlich untersuchen wir, inwieweit Bevölkerungsdichte und Kulturareale Austauschprozesse vorgeben. Sowohl für die Produktion von Beilklingen als auch für die Deponierung von Kupfergegenständen kann ein Zusammenhang mit der demographischen Entwicklung wahrscheinlich gemacht werden. Kontinentale Fernbeziehungen scheinen in Summe an hohe Bevölkerungsdichten gebunden, in Zeiten niedriger Bevölkerungszahlen ist der Austausch zumindest erschwert.Wir halten die Ergebnisse für geeignet, einige wesentliche und lange diskutierte Probleme der Neolithforschung zu lösen.Die vorgestellten Arbeiten sind Teil des EUROEVOL Projektes (ERC Advanced Research Grant # 249390 PI S. Shennan).Literaturhinweis:
M. Buchvaldek / A. Lippert / L. Košnar (eds.) Archeologický Atlas pravěké Europy – Atlas zur Prähistorischen Archäologie Europas – Archaeological Atlas of Prehistoric Europe – Archéologique de l’Europe Préhistorique. PRAEHISTORICA XXVII. Prague: Karolinum 2007.
Ines Klenner: Archäologische Wegeforschung am keltischen Oppidum von Bibracte
Durch umfangreiche Prospektionen konnte seit 2005 eine große, unbefestigte Siedlung der späten Eisenzeit an den Quellen der Yonne in der Umgebung des keltischen Oppidums Bibracte (Frankreich) erforscht werden. Ausgehend von der Frage nach der infrastrukturellen Anbindung und damit auch der Funktion der unbefestigten Umlandsiedlung wird das Wegenetz des Oppidums Bibracte seit 2012 in einem Kooperationsprojekt der Universitäten Mainz und Hamburg sowie dem Forschungszentrum CAE Bibracte untersucht. Ziel des Projektes ist es, nicht nur die Verbindungsrouten zwischen der Siedlung an den Yonnequellen und dem Oppidum zu rekonstruieren, sondern auch die übrigen antiken Wege nach Bibracte. Die archäologische Wegeforschung erlaubt in besonders günstigen Fällen neben der Dokumentation der antiken Straßenverläufe auch Aussagen über deren Nutzung. So können Antworten auf Fragen zur wirtschaftlichen Grundlage der antiken Städte gefunden werden. Im Rahmen des Projekts wurden LIDAR-Scans auf Wegespuren hin untersucht und diese im Gelände ausfindig gemacht. Die so entdeckten Wegerelikte wurden dann mit Metalldetektoren abgegangen und dabei sämtliche Funde eingemessen. Dies erlaubt die Kartierung der Funde in einem GIS und auf dieser Grundlage im günstigsten Fall eine Rekonstruktion des Wegenetzes mit seinen unterschiedlichen Nutzungsphasen.
Oliver Nakoinz: Interaktionsstrukturen in der Landschaft – Modellierung neolithischer und bronzezeitlicher Wegesysteme in Schleswig-Holstein
Verkehrswege sind ein gleichermaßen wichtiger wie problematischer Forschungsgegenstand in der prähistorischen Archäologie. Wegesysteme kanalisieren einerseits und spiegeln andererseits soziale, ökonomische und kulturelle Interaktionen. Hierbei spielen naturräumliche Faktoren ebenso eine Rolle wie kulturelle Gegebenheiten. Wegesysteme sind damit ein wesentliches Element der Kulturlandschaft, das Landschaft und Gesellschaft zueinander in Beziehung setzt. Wegerelikte sind jedoch selten überliefert und erlauben kaum die Rekonstruktion ganzer Verkehrssysteme und deren Interpretation.Dieser Beitrag geht von der Prämisse aus, dass Monumente in Wegenähe gelegen haben und damit diese indizieren. Wenn auch noch nicht bewiesen, so ist diese Prämisse anders als in der britischen Forschung doch zumindest für die Bronzezeit Nordeuropas anerkannt. Das mögliche regionale Wegenetz wird als Delaunay-Graph dargestellt, wobei Konzentrationen von Monumenten, also Bereiche in denen Kreuzungen oder Zielpunkte zu vermuten sind, als Knoten verwendet werden. Zur Rekonstruktion der einzelnen Verbindungen des Delaunay-Graphs werden verschiedene Least-cost-path-Kostenmodelle (kurz: LCP-Modelle) mit unterschiedlichen Parametern angewendet. Der Vergleich mit der Lage der Monumente erlaubt die Validierung der LCP-Modelle. So können die für die Wegeführung relevanten Parameter identifiziert werden. Es zeigt sich, dass die Sicht von und zu den Wegen im Neolithikum von untergeordneter Bedeutung, in der Bronzezeit hingegen ein wichtiger Einflussfaktor der Wegeführung war.
Irmela Herzog: Analyse von mittelalterlichen Siedlungsmustern im Oberbergischen Kreis
Für den Oberbergischen Kreis im Bergischen Land östlich von Köln liegt eine Publikation vor, die Ortsnamen und ihre Ersterwähnung auflistet (Pampus 1998). Es ist davon auszugehen, dass diese Auflistung annähernd vollständig die Siedlungsplätze enthält, die bis zum Jahr 1500 in diesem Untersuchungsgebiet entstanden waren. Eine bereits vorliegende Untersuchung (Herzog 2012) zeigt mithilfe des Kolmogorov-Smirnov-Tests (siehe z.B. Kvamme 1992), dass die Siedlungsplätze signifikant näher an fruchtbaren Tälern liegen als eine zufällige Punktstreuung, aber dass sich diese Orte nicht wie erwartet an den überregionalen Handelsrouten orientierten. Dieses überraschende Ergebnis wird in dem Vortrag hinterfragt.
Voraussetzung für den Kolmogorov-Smirnov-Test ist, dass die Siedlungspunkte unabhängig voneinander sind und zur gleichen Verteilung gehören. Die Unabhängigkeit ist bei geographischen Daten meist nicht gegeben; durch Autokorrelationsberechnungen kann man jedoch die Auswirkungen hiervon abschätzen. Eine gleiche Verteilung liegt dann vor, wenn alle mittelalterlichen Siedlungsplätze gleich groß waren und gleichartig wirtschafteten, was sicherlich nicht realistisch ist. Dennoch sieht man auf der historischen Karte von 1715, dass mit wenigen Ausnahmen alle genannten mittelalterlichen Siedlungsplätze auch 1715 noch aus einer kleinen Anzahl von Höfen bestanden. Eine Sonderrolle spielten Orte mit Kirchen, die aufgrund des Liber Valoris (Oediger 1967) und entsprechender Signaturen auf historischen Karten zu identifizieren waren.
Bei der ursprünglichen Analyse war eine Handelsroute aus Versehen unberücksichtigt geblieben – dies führte zu der Frage, ob einzelne Routen oder Streckenabschnitte in unterschiedlicher Weise für die mittelalterliche Aufsiedlung im Bergischen Land wichtig waren. Die Kartierung der Handelsrouten war aufgrund einer Fachpublikation (Nicke 2001) erfolgt, doch historische Karten für Teilbereiche des Untersuchungsgebietes zeigen z.T. ein anderes Netz überregionaler Straßen. Daher stellt sich die Frage, ob ein Teil dieser zusätzlichen Straßen aus historischen Karten bei der Siedlungsentwicklung eine Rolle spielte. Um Straßenabschnitte zu bewerten, kamen Karten zum Einsatz, die die mittelalterliche Siedlungsdichte zeigen und die dann wieder zu einem überraschenden Ergebnis führten.
Literaturhinweise:
Herzog, I. (2012): Analyse der Siedlungsentwicklung im Bergischen Land. 25 Jahre Arch. Rheinland 1987-2011 (2012), 26-28.
Kvamme, K.L. (1992): Geographic Information Systems and archaeology. In: G. Lock & J. Moffet (Hrsg.), CAA 91. Computer Applications and Quantitative Methods in Archaeology 1991, BAR International Series, S577, 77-84.
Nicke, H. (2001): Vergessene Wege. Das historische Fernwegenetz zwischen Rhein, Weser, Hellweg und Westerwald, seine Schutzanlagen und Knotenpunkte. Nümbrecht.
Oediger, F. W. (1967): Die Erzdiözese Köln um 1300. Erstes Heft. Der Liber Valoris. Bonn.
Pampus, K. (1998): Urkundliche Erstnennungen oberbergischer Orte. Beiträge zur Oberbergischen Geschichte. Gummersbach.
Daniel Nösler, Maren Lindstaedt, Thomas P. Kersten: Von historischen Luftbildern der Royal Air Force bis zum 3D Laserscanning. Eine vorgeschichtliche Wallanlage bei Oersdorf im Landkreis Stade
Prähistorische Befestigungen sind in Nordwestdeutschland ein sehr seltenes Phänomen. Umso spannender ist eine ungewöhnliche Ringwallanlage mit einer Fläche von 2,5 ha und einem Durchmesser von 185 m am Rand eines ausgedehnten Hochmoores bei Oersdorf im Landkreis Stade. Bis zu ihrer obertägigen Zerstörung hatte die Anlage noch einen geschlossenen Wall, der mit zahllosen Findlingen befestigt war.
Um die Fragen nach Alter, Funktion und Befunderhaltung dieses interessanten Platzes zu klären, wird die Befestigung derzeit durch die Kreisarchäologie Stade umfassend erforscht. Durch die Auswertung historischer Luftbilder der Royal Air Force ist es gelungen, neue Erkenntnisse zum Charakter der Wallanlage zu erlangen. Ehemals führten mindestens vier Tore in das Innere. Der heutige Zustand wurde durch terrestrisches 3D Laserscanning vermessen und dokumentiert. Dabei zeigten sich die Überreste der durch die spätere landwirtschaftliche Nutzung fast vollständig eingeebneten Anlage in erstaunlicher Klarheit. Bei einer geomagnetischen Prospektion konnten sowohl der Grabenverlauf als auch mögliche archäologische Befunde im Innenbereich der Anlage festgestellt werden.
Aufgrund der Ergebnisse der Geomagnetik und des Laserscans wurde eine Fläche für eine begrenzte archäologische Sondage ausgewählt. Dabei zeigte sich in Analogie zum Messbild der Geomagnetik, dass der dem Wall vorgelagerte Graben in Segmente aufgeteilt war und nicht durchgängig verlief.
Auch wenn nun gesicherte Erkenntnisse zum Aufbau der Anlage vorliegen, ist der Zeitpunkt ihrer Errichtung noch unklar: Die pollenanalytische Untersuchung der untersten Grabenverfüllung ergab eine sehr frühe Datierung in das Atlantikum – während die 14C-Analyse eine Zeitstellung in die Vorrömische Eisenzeit ergab. Es bleibt also Raum für weitere Forschungen.
Undine Lieberwirth, Markus Neteler, Markus Metz, Bernhard Fritsch: Hochauflösende 3D-Dokumentation (Punktwolken) archäologischer Stratigraphie mit Low-Budget-Ausrüstung und Open-Source-Analysesoftware
Technologische Entwicklungen im Bereich der archäologischer Dokumentation und historischen Bauforschung haben in den vergangenen Jahren in einem rasanten Tempo zugenommen. Vermessungsergebnisse werden nicht nur immer höher aufgelöst und präziser erstellt, diese hochwertigen Dokumentationsverfahren sind auch entsprechend kostenintensiv und befinden sich oft weit über dem Budget eines archäologischen Projekts.Oft sind es diese finanziellen Beschränkungen, die wissenschaftlicher Forschung Grenzen setzen. Um diese zu überwinden, haben wir in der Studie nach praktikablen Alternativen gesucht. Ziel unseres Projektes ist eine möglichst transparente, unabhängige Forschung in Bezug auf Methodik und verwendete Verfahren. Eine Option bildet hier der Bereich der Open Source Software unter der GNU General Public License. Mittels Fallbeispielen und Vergleichen mit etablierten Verfahren möchten wir zeigen, dass o.g. Grenzen aufgelöst werden können.Die hier vorgestellte Lösung kombiniert preiswerte Hardware mit Open Source Software, welche in Bezug auf Gerätekosten, Präzision und Auflösung mit proprietärer Software und High-Budget-Technology konkurrieren kann. Um das Verfahren auch auf seine Praktikabilität im Gelände zu überprüfen wurden weitere Parameter, wie Transportfähigkeit und Gewicht der Geräte, Zusatzequipment, Zeitaufwand etc. untersucht und verglichen. Das Low-Cost-Equipment dieser Studie bestand aus einer digitalen Kamera und zwei verschiedenen Open Source Software Produkten. Als Methode wurde die so genannte “Struktur-from-Motion” (SFM) Methode verwendet, welche im archäologischen Kontext das erste Mal vor zwei Jahren erfolgreich angewandt wurde (Ducke et al. 2011). Die Ergebnisse der SfM-Methode wurden mit dem in der Archäologie bereits etablierten Terrestrischen 3D-Laserscanner (TLS) und dessen proprietäre Steuerungs- und Prozessierungssoftware verglichen. Letztere Methode fand bereits vor über einem Jahrzehnt erste Anwendungen in der archäologischen Forschung und Denkmalverwaltung (Doneus et al. 2003, Archaeological Heritage Office Sachsen) und hat seitdem zweifellos ihre Qualität bewiesen. Aus diesem Grund wurden die Ergebnisse der SfM-Methode in dieser Studie auf die Ergebnisse des TLS referenziert. Da sowohl die photogrammetrische SfM-Methode, wie auch der TLS 3D-Punktwolken erzeugen, konnten ihre Ergebnisse exakt miteinander verglichen werden.Der Test fand in unterschiedlichen archäologischen Kontexten statt, um Erfahrungen in der praktischen Anwendung unter unterschiedlichen Bedingungen zu sammeln. Im Vortrag geben wir einen Überblick über die Ergebnisse dieses Methodenvergleichs in Bezug auf Präzision, Genauigkeit, Kosten und Handhabung. Darüber hinaus diskutieren wir die Vor- und Nachteile der gewählten Low-Budget-Methode und der in diesem Zusammenhang neu entwickelten Softwaretools (GRASS GIS Module), so dass zukünftige Anwender in der Lage versetzt werden, o.g. Methoden in Bezug auf ihre Fragestellung und Anforderungen optimal auswählen zu können.Literaturhinweise:
Doneus, M. & Neubauer, W. & Studnicka, N., 2003. Digital Recording of Stratigraphic
Excavations. In: Proceedings of the XIXth International Symposium CIPA 2003 New Perspectives to Save Cultural Heritage. The CIPA Int. Archives for Documentation of Cultural Heritage, Vol. XIX, 2003, 451-456
Ducke, B., Score, D., Reeves, J., 2011, Multiview 3D reconstruction of the archaeological site at Weymouth from image series, Computers & Graphics 35 p.375–382
GRASS Development Team (2012). Geographic Resources Analysis Support System (GRASS) Software, Version 7.0.Accessed: 09/10/12 http://grass.fbk.eu/
GNU General Public License (2007). Free Software Foundation, Inc. Accessed June 24, 2012. http://www.gnu.org/licenses/gpl-3.0.htm
Karin Göbel: Die Altgrabungen im Duvenseer Moor – eine besondere Herausforderung für die GIS-Analyse
Das Duvenseer Moor mit seinen neolithischen Fundplätzen ist mit zahlreichen Grabungsflächen aus verschiedenen Jahrhunderten übersät. Eine Zusammenführung der Grabungsdokumentationen, die auf unterschiedlichen Standards und Messsystemen basieren, ist eine große Herausforderung und nur mit modernen GIS-Systemen effektiv möglich.Nach der Zusammenführung der Daten aus den Grabungsplänen und die zugehörigen Fundbeschreibungen war es nicht nur möglich, einen Gesamtplan zu erstellen, sondern auch die zeitliche Entwicklung der Fundstelle Duvenseer Moor nachzuvollziehen. Die zusammengeführten Daten erlauben darüber hinaus, weitere Analysen durchzuführen wie die Rekonstruktion von baulichen Elementen oder Geländeoberflächen. Ziel der Arbeiten ist u.a., Daten zu dieser wichtigen Fundstelle allen interessierten Wissenschaftlern zur Verfügung zu stellen.