Die AG Computeranwendungen und Quantitative Methoden in der Archäologie e.V. (CAA) lädt zu zwei Sessions im Rahmen des 9. Deutschen Archäologiekongresses (3.–8. Juli 2017) nach Mainz ein.
1. Session der AG CAA (07. Juli, 09:00-12:00)
Die Session konzentriert sich auf neue Methoden und Computeranwendungen in der Archäologie und diskutiert deren Nutzbarkeit. Die folgenden Vorträge werden präsentiert werden:
Manuel Broich: “Zwischen den Stühlen: Prokrustes-Rotation als Methode zur Synchronisation regionaler Chronologien. Ein Fallbeispiel aus der Linearbandkeramik.”
Im Zentrum des Vortrags steht die Methode der Prokrustes-Rotation mit ihren Vor- und Nachteilen bei einer Synchronisation von Seriationsergebnissen. Die zwei regionalen Chronologiesysteme der Linearbandkeramik des Rheinlandes und der Mosel dienen hierbei als Fallbeispiel, mit dessen Hilfe v.a. methodische Aspekte der Prokrustes-Rotation beleuchtet werden sollen. Als Ergebnis wird eine mathematisch nachvollziehbare Synchronisation zweier Seriationsergebnisse präsentiert.
Piotr Kuroczyński / Oliver Hauck: “Das digitale 3D-Modell als Wunderkammer des Wissens. Formalisierung und Operationalisierung des Wissens in der objekt- und raumbezogenen Forschung.”
Der Beitrag greift den technologischen Entwicklungsstand auf und führt eine neue Methodik der 3D-Modellierung, Visualisierung vor, die eine Operationalisierung der Information infolge einer Formalisierung des Wissen vorschlägt. Dabei werden eingangs Fragen nach den digitalen Forschungsdaten und der Datenmodellierung unter Berücksichtigung internationaler Dokumentationsstandards im Licht von Semantik Web aufgeworfen. Aufbauend wird eine Virtuelle Forschungsumgebung vorgestellt, welche web-basierte, kollaborative Zusammenarbeit an und in den 3D-Modellen ermöglicht.
Leo Klinke: “Digitalisierung. Und dann? Von der Datenerhebung zur Massenbewegung – Die virtuelle Rekonstruktion der ‘Großen Sloopsteene'”
Am Beispiel des Megalithgrabs „Großen Sloopsteene“ stellt die Altertumskommission für Westfalen Perspektiven jenseits der digitalen Konservierung vor: Aus einem digitalen 3D-Modell entsteht eine virtuelle Rekonstruktion. Ein exemplarischer, aber dennoch differenzierter Workflow wird vorgestellt, der auf andere archäologische Rekonstruktionsprojekte übertragen werden kann, um dann weiterführende Interpretationen über Raum- und Umfeldwahrnehmungen zu objektivieren und zu verifizieren.
A. Cramer / S. Greiff / G. Heinz / S. Patscher / F. Ströbele / E. Wamers: “Webbasierte 3D-Plattform zur Dokumentation, Visualisierung und Analyse archäologischer Objekte”
Die Plattform wurde für die einfache webbasierte Bereitstellung von 3D-Modellen zur Visualisierung und Analyse entwickelt. Der browserbasierten Viewer nutzt freie JavaScript-Bibliotheken wie jQuery und 3DHOP sowie die WebGL-Schnittstelle und stellt dreiecksbasierte Netze mit und ohne Farbinformationen und Texturen dar. Wichtiges Feature ist die Verknüpfung der 3D-Daten mit anderen interdisziplinären Forschungsdaten (z.B. Messwerten). Die Anwendung wurde prototypisch für den Tassilokelch (8.Jh) erstellt, der Einsatz in einem offen zugänglichen RGZM-Datenportal für 3D-Modelle wird vorbereitet.
2. Digitalität in den Archäologien des Rhein-Main-Gebiets (06. Juli, 14:00-17:30)
Diese Session wird gemeinsam mit dem Verbund Archäologie im Rhein-Main (VARM) la organisiert. Vorträge dieser Session konzentrieren sich insbesondere auf die Digitalisierung und die Arbeit mit digitalen Daten im Bereich der Archäologie:
Oliver Hauck: “Eine virtuelle Forschungsumgebung zur Hagia Sophia Justinians auf Basis der Standards CIDOC–CRM und IFC4”
Es wird eine virtuelle Forschungsumgebung vorgestellt, die die Erforschung der dreidimensionalen Zusammenhänge der Gewölbe der Hagia Sophia in Istanbul unterstützt, dokumentiert und als Open-Access-Publikationsplattform dient. Technologische Grundlage ist die Verknüpfung von CIDOC-CRM und IFC4 – nicht nur ein Beitrag zur Bauforschung sondern auch ein digitaler Grundstein für die bisher Desideratum gebliebene umfassende Baugeschichte der Hagia Sophia.
Aline Deicke: “Identitätsgenese späturnenfelderzeitlicher Eliten im Spiegel funeraler Statuspräsentation”
Als letzte Periode vor dem Umbruch zur Eisenzeit präsentiert sich die späte Urnenfelderzeit als eine Phase soziopolitischer Unruhen und Konflikte, die sich unter anderem durch eine Rückkehr zu reichen Bestattungen als Ausdruck von Status und Prestige ausdrücken. Diese Gräber nehmen fremde Einflüsse auf, greifen aber auch auf Traditionen vom Beginn der Urnenfelderzeit zurück. Sie lassen auf eine Phase rückschließen, in der Elitenidentitäten neu verhandelt und konsolidiert wurden. Dieser Prozess soll mit einer netzwerkanalytischen Auswertung näher beleuchtet werden, die vor allem auf das Zusammenspiel von Objekten in der Identitätsgenese fokussiert.
Karsten Tolle / David Wigg-Wolf: “Linked Open Data in der Archäologie am Beispiel von AFE, Nomisma.org und OCRE/CRRO”
Nomisma.org stellt Konzepte der Numismatik als Linked Open Data bereit. Diese Konzepte werden mittlerweile von zahlreichen Institutionen verwendet, wodurch weitere Projekte ermöglicht wurden: Online Coins of the Roman Empire oder Coin Hoards of the Roman Republic Online. Die von uns entwickelte Anwendung Antike Fundmünzen Europa (AFE) wird eingesetzt, um Fundmünzen aus Baden-Württemberg, Hessen und der Pfalz zu erfassen.
Anhand von Beispielen soll gezeigt werden, wie dies für die archäologische Forschung des Rhein-Main Gebiets auch über den numismatischen Bereich hinaus genutzt werden kann.
Marion Bolder-Boos: “ToyBlocks – ein webbasiertes Lernspiel für Studierende”
E-Learning-Angebote unterstützend zu Übungen, Seminaren und Vorlesungen werden seit einigen Jahren erfolgreich in der universitären Lehre eingesetzt. Das webbasierte Lernspiel ToyBlocks ist ein solches Angebot. Im Vortrag soll gezeigt werden, wie dieses digitale Lernangebot die traditionelle Lehre ergänzt, welchen Nutzen Lehrende und Studierende daraus ziehen können und wie es speziell für die Archäologie genutzt werden kann.
Stefanie Wefers / Ashish Karmacharya / Frank Boochs / Guido Heinz: “COSCH- ein semantisches Bindeglied zwischen archäologischer Fragestellung und Dokumentationstechnologie”
Kulturgüter spektral oder 3D zu digitalisieren ist eine interdisziplinäre Aufgabe, die Geisteswissenschaftler/innen bspw. gemeinsam mit Ingenieuren/innen und Informatikern/innen umsetzen. In einem interdisziplinären Dialog wird dabei zunächst eine Digitalisierungsstrategie entwickelt. Mit Hilfe einer interaktiven Plattform, die auf Basis individueller Anforderungen und Voraussetzungen solche Strategien empfiehlt, soll dieser Dialog unterstützt werden. Ausschlaggebende Faktoren sind in einer Wissensrepräsentation hierarchisch strukturiert und regel-basierte Abhängigkeiten geben Zusammenhänge zwischen Daten, Nutzung, Kulturgut, der Umgebung und der Dokumentationsmethode wieder.
Mieke Pfarr-Harfst: “Forschen – Bewahren – Vermitteln! Kritische Betrachtung der Potentiale und Herausforderungen digitaler Rekonstruktionen im Kulturerbe”
Digitale Rekonstruktionen sind in der Wissensvermittlung zur Sichtbarmachung nicht mehr vorhandener baulicher Strukturen an der Schnittstelle Architektur, Archäologie, Bau- und Kunstgeschichte etabliert. Mittlerweile werden auch ihre Potenziale für den Forschungsprozess diskutiert. Sie sind als Erweiterung traditioneller Methoden im Sinne einer transdisziplinären, vernetzten Arbeitsweise in der Virtualität zu verstehen. Der Vortrag bündelt die damit einhergehenden Potentiale und Herausforderungen; Visionen für eine zukünftige innovative Forschungslandschaft, speziell für den Verbund Archäologie Rhein Main (VARM) und den dort verankerten Institutionen, werden skizziert.
Zur Teilnahme am Archäologie-Kongress registrieren Sie sich bitte auf den Seiten des West- und Süddeutschen Verbandes für Altertumsforschung e.V. (WSVA): http://www.wsva.net/.