3.-7.10.2011, Bremen
Die AG Computeranwendungen und Quantitative Methoden in der Archäologie hat beim Archäologenkongress in Bremen am 6.10.2011 eine Sektion mit Schwerpunkt “Auswertung archäologischer Prospektionsdaten” veranstaltet.
Programm
Uhrzeit | Vortrag | |
9:15 | Begrüßung / Einführung durch die AG-Sprecher | |
9:30 | Florian Mauthner | Der römerzeitliche Gutshof von Deutschkreutz – Prospektion und Auswertung |
10:00 | Carsten Casselmann | „Site“ vs. „Stelle“. Die Analyse von archäologischen Prospektionsdaten am Beispiel des Beckens von Phlious (Nordostpeloponnes) |
10:30 | Kaffee-/Teepause | |
11:00 | Till Herbord, Ingo Eichfeld, Johannes Ey | Interpolation und archäologische Interpretation historischer Höhenkoten |
11:30 | Jens Andresen, Vladimir Stolba | Moderne Dokumentation der Spuren griechischer Besiedlung auf der Krim |
12:00 | Jutta Lechterbeck | Quantitative Vegetationsrekonstruktion mit dem Landscape Reconstruction Algorithm (LRA) – eine Fallstudie aus dem westlichen Bodenseegebiet |
12:30 | Mittagspause | |
14:00 | Helianthus Gärtner, Steven Maibauer, Britta Ramminger | Monitoring neolithischer Megalithbauten in der Oldendorfer Totenstatt mittels 3D-Laserscanning: Erste Ergebnisse eines Masterprojektes |
14:30 | Irmela Herzog, Alden Yépez | Analyse von Prospektionsdaten am Ostabhang der Anden |
15:00 | Axel Posluschny | Aktivitäten der Internationalen CAA, u.a. Vorstellung der CAA special interest group zu „Archaeological Prospection Methods“ |
15:15 | Ende der Sitzung |
Abstracts
(Abstract wird durch Klick auf den Titel angezeigt)
Florian Mauthner: Der römerzeitliche Gutshof von Deutschkreutz Prospektion und Auswertung
Der Vortrag handelt von dem durch geophysikalische Prospektion erforschten römischen Gutshof von Deutschkreutz, welcher im Mittelburgenland in Österreich, knapp an der ungarischen Grenze, gelegen ist. Die Geoprospektion wurde von Archaeo Prospections der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien durchgeführt. Im Rahmen des Vortrages wird versucht, die aus den Prospektionsdaten erschlossenen Strukturen anhand von Grundriss und Größe mithilfe von Literaturvergleichen auszuwerten, die Funktion der einzelnen Strukturen zu eruieren und, soweit möglich, zeitlich zu erfassen.Die Anlage des Gutshofes umfasst zehn Baustrukturen in unterschiedlichen Ausrichtungen, woraus sich mehrere Komplexe und Gebäudegruppen ableiten lassen. Sie wird von einem imposanten, durch Architektur verbundenen Gebäudekomplex mit großen Höfen beherrscht, in welchem es neben einem größeren, zu Wohnzwecken genutzten Bereich mit Annexbauten, auch mehrere Gebäude mit landwirtschaftlicher Funktion gibt. Daneben konnte eine Umfassungsmauer sowie eine Straße nachgewiesen werden. Rund um diesen Baukomplex gibt es weitere, anderweitig orientierte Strukturen, die teilweise ebenfalls der Wohnarchitektur zuzuordnen sind. Daher kann davon ausgegangen werden, dass der Gutshof in Verbindung mit unterschiedlichen Gebäudeausrichtungen und der Überschneidung von Baustrukturen in mehrere Bauphasen unterteilbar ist. Manche der im Inneren der Anlage befindlichen Strukturen erfordern aufgrund ihrer architektonischen Besonderheiten eigens Erwähnung, wie etwa das Hauptgebäude mit seinen Höfen, ein von Säulen dominierter Bau oder manche Nebengebäude.Innerhalb des großen Wohnbereiches können die durch Prospektion erforschten und interpretierten Strukturen aufgrund einer vom Österreichischen Archäologischen Institut durchgeführten Grabung recht gut untermauert und in baugeschichtlicher Hinsicht ergänzt werden, auch wenn nur Teile des Gebäudes ausgegraben wurden. Zusätzlich bieten die Grabungsergebnisse, in Verbindung mit den Daten aus dem nahe gelegenen erforschten Gräberfeld, auch einen guten Datierungsansatz für die gesamte Anlage vom 2. bis ins 5. Jh. n. Chr.
Carsten Casselmann: Prospektionsdaten am Beispiel des Beckens von Phlious (Nordostpeloponnes)
In der englischsprachigen Fachliteratur ist das Konzept des „site“ eines der am meisten und heftigsten diskutierten Themen. Die Definitionen einer archäologischen Fundstelle sind dabei weit gefächert. Sie reichen von einer völligen Ablehnung des Konzeptes (Ebert) bis hin zur Minimaldefinition (Klinger). Bei den meisten Oberflächenprospektionen werden die Kriterien zur Bestimmung von archäologischen Fundstellen statistisch an die Dichte der registrierten Artefakte angepasst.Für die Auswertung der Funde beim Survey im Becken von Phlious wurde dafür ein flexibles System erarbeitet, das die jeweiligen Fundbedingungen berücksichtigt. Als wichtiges Hilfsmittel für die Bestimmung der definierten Stellen dienen dabei Karten, auf denen die Funddichte der häufigsten Artefaktgattungen, also Keramik, kleine und große Ziegel, dargestellt ist.Bei der Interpretation der Surveyergebnisse müssen bestimmte Ungenauigkeiten, in der Statistik als Fehler bezeichnet, berücksichtigt werden. Diese führen sowohl zu systematischen als auch zu zufälligen und groben, meist nicht fassbaren Abweichungen der Messergebnisse, die bei archäologischen Oberflächenprospektionen in der Regel die Zählungen von Artefakten darstellen. Dabei spielen sowohl geologische und geomorphologische als auch anthropogene Faktoren eine Rolle. Einzelne Fehler können gegebenenfalls zu einer massiven Veränderung des Fundbildes führen.Obwohl beim Survey im Becken von Phlious zur Interpretation der archäologischen Daten eine entsprechende geowissenschaftliche Untersuchung hinzugezogen wurde, bleiben letztendlich Lücken bei der Datenaufnahme. Der Anspruch, anhand der Ergebnisse eines archäologischen Surveys zu einer lückenlosen Besiedlungsgeschichte zu kommen, muss in jedem Fall kritisch hinterfragt werden.Das archäologische Teilprojekt Phliasia wurde vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Heidelberg unter der Leitung von Prof. Dr. Joseph Maran und im Feld in den Jahren 1998 bis 2001 von Doris Ittameier M.A. durchgeführt. Während der Abschlusskampagne 2002 war Dr. Carsten Casselmann für die ausführende Leitung verantwortlich. Der geologische Teil des Projektes wurde durch die Forschungsstelle Archäometrie der Heidelberger Akademie der Wissenschaften unter der Leitung von Prof. Dr. Günther Wagner, Prof. Dr. Andreas Lang und vor Ort von Dr. Markus Fuchs durchgeführt.
Till Herbord, Ingo Eichfeld, Johannes Ey: Interpolation und archäologische Interpretation historischer Höhenkoten
In der archäologischen Forschung spielen Digitale Geländemodelle beim Aufspüren historischer Geländemerkmale wie auch bei ihrer Interpretation seit längerer Zeit eine wichtige Rolle. Die von den Landesvermessungsämtern abgegebenen digitalen Höhendaten beschreiben jedoch das moderne Landschaftsrelief, das nicht selten durch eine Vielzahl von Bodeneingriffen (Überpflügen, Flurbereinigungen etc.) stark verändert ist. Für archäologische Fragestellungen ist es daher oft zweckmäßig, auf ältere Höhendaten zurückzugreifen, um heute eingeebnete oder überprägte Landschaftsstrukturen erkennbar zu machen.Gerade in den nur schwach reliefierten Marschgebieten der südlichen Nordseeküste hat sich die Auswertung so genannter Kotenpausen als ein wichtiges Hilfsmittel zur Rekonstruktion alter Landschaftszustände herausgestellt. Hierbei handelt es sich um Höhendaten aus topographischen Geländeaufnahmen, die meist während der 1950er und 1960er Jahren in Vorbereitung zur Erstellung der Deutschen Grundkarte 1:5000 durchgeführt wurden. Im Niedersächsischen Institut für historische Küstenforschung (NIhK) werden Kotenpausen bereits seit einigen Jahren für die Berechnung Digitaler Geländemodelle genutzt. Dabei zeigte sich allerdings, dass die Qualität des resultierenden Geländemodells nicht unwesentlich von der Auswahl des Interpolationsverfahrens und den eingestellten Parametern abhängt.In dem Vortrag werden die Kotenpausen als Datengrundlage vorgestellt, der Einfluss verschiedener Interpolationsverfahren erläutert und archäologische Anwendungsmöglichkeiten an Fallbeispielen skizziert.
Jens Andresen, Vladimir Stolba: Moderne Dokumentation der Spuren griechischer Besiedlung auf der Krim
Ein Klimaoptimum in der Mitte des ersten Jahrtausends v.Chr. ermöglichte die land-wirtschaftliche Nutzung der Halbwüste auf einem Plateau der westlichen Krim, Ukraine. Die Besiedlung dieser Landschaft wurde durch den griechischen Staat gefördert, da die heimischen Städte dringend Getreide benötigten. Diese Nutzung war jedoch sehr kurzlebig, denn schon im frühen dritten Jahrhundert v.Chr. verschlechterten sich die klimatischen Bedingungen wieder. Schließlich endete das Leben der griechischen Chora auf der Halbinsel abrupt mit gewaltsamen Überfällen und der brutalen Ermordung der Siedler.Dies ist in Kurzform die Arbeitshypothese eines Forschungsprojekts der Universität Aarhus, Dänemark, unter der Leitung von Vladimir Stolba (http://www.euxine.dk). Etwa 30 bis 40% der Fläche ist seit dem Abbruch der griechischen Besiedlung ungestört. An der heutigen Oberfläche sind in diesen Gebieten Gehöfte, Gräber, Acker-grenzen und andere Relikte dieser Besiedlungsphase immer noch sichtbar, während die archäologischen Auffindungsbedingungen auf den anderen Flächen aufgrund moderner landwirtschaftlicher Nutzung schwieriger sind. Das Ziel des Projektes ist die Erfassung der archäologischen Substanz und darauf aufbauend die Rekonstruktion der Besiedlungsmuster. Schwerpunkt des Vortrags sind die Methoden, die zur Prospektion, Erfassung und digitalen Dokumentation der archäologischen Befunde verwendet wurden, sowie die Auswertung der Daten.
Jutta Lechterbeck: Quantitative Vegetationsrekonstruktion mit dem Landscape Reconstruction Algorithm (LRA) – eine Fallstudie aus dem westlichen Bodenseegebiet
Off-site Pollendaten können als Proxy für prähistorische Landnutzung benutzt werden. Für die Modellierung des landwirtschaftlichen Drucks auf die Landschaft muss die tatsächliche Vegetationsbedeckung und damit die Größe und Art der landwirtschaftlich genutzten Flächen rekonstruiert werden. Jedoch ist die Rekonstruktion vergangener Vegetation auf der Basis von Pollendaten keineswegs trivial und eine zentrale Frage seit der Entstehung der Pollenanalyse als wissenschaftliche Disziplin. In den letzten Jahrzehnten wurden seitens internationaler Arbeitsgruppen große Anstrengungen unternommen, verlässliche und nachvollziehbare Methoden für die Rekonstruktion von Vegetationsbedeckung auf der Basis von Pollendaten zu entwickeln. Diese Anstrengungen kulminierten in der Formulierung des „Landscape Reconstruction Algorithm“ (LRA, SUGITA 2007, a, b), der aus zwei Modulen besteht. Zum einen REVEALS (regional estimates of vegetation abundance from large sites) und zum anderen LOVE (local vegetation estimates). Der LRA erlaubt es, den prozentualen Anteil, den ein Taxon an der Vegetation hat anhand seiner Repräsentation in der pollenanalytischen Überlieferung in einem definierten Zeitfenster zu rekonstruieren.Hier sollen nun erste Ergebnisse zur Anwendung des LRA auf Pollendaten aus dem westlichen Bodenseegebiet präsentiert werden. Es wird eine quantitative Rekonstruktion für ein jungneolithisches Zeitfenster vorgestellt. Basierend auf dieser Rekonstruktion werden verschiedene Vegetationstypen rekonstruiert und geomorphologischen Einheiten zugewiesen. Auf dieser Grundlage wird der Anteil an landwirtschaftlich genutzten Flächen und Anbauflächen berechnet. Dies erlaubt dann weitergehende Berechnungen zu möglichen Erträgen und letztlich Bevölkerungsdichten.
Helianthus Gärtner, Steven Maibauer, Britta Ramminger: Monitoring neolithischer Megalithbauten in der Oldendorfer Totenstatt
Im Rahmen eines praxisorientierten Masterprojektes führt die Abteilung Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie der Universität Hamburg seit Frühjahr 2011 an einem Megalithgrab der Oldendorfer Totenstatt, Kr. Lüneburg, eine Pilotstudie durch. Auf diesem touristisch stark frequentierten Gelände sind mehrere megalithische Monumente, darunter vier sog. Hünenbetten erhalten. Das Ziel dieser Untersuchung ist die Evaluierung eines Monitorings mittels terrestrischem 3D-Laserscanning an einem der Hünenbetten, dessen Kammer heute frei liegt und deshalb, ebenso wie der umgebende sandige Hügel von vielen Besuchern betreten wird. Dadurch kam es in der Vergangenheit mehrfach zu Erosionen des Hügels, die Restaurierungsmaßnahmen notwendig machten, um ein mögliches Kippen der Orthostaten zu verhindern. Im Rahmen des Masterprojektes werden Feinvermessungen mit einem Ilris 3D- Laserscanner durchgeführt, sowie der zeitliche Aufwand für ein solches Monitoring unter Anwendung verschiedener Punktdichten erfasst. Daraus sollen ein Konzept und die Erprobung der Einsatzmöglichkeiten eines terrestrischen 3D-Laserscanners im Monitoring der Bodendenkmalpflege resultieren. Eine längerfristig angelegte Vergleichsstudie soll in den folgenden Jahren die Veränderungen an dieser Anlage durch Begehung und Erosion exemplarisch aufzeigen und dokumentieren. Mit der exakten Einmessung und anschließenden Modellierung der einzelnen Steine sowie des umgebenden Hügels können Lageveränderungen und damit verbundene mögliche Restaurierungsmaßnahmen, sowie deren Nachhaltigkeit an megalithischen Monumenten detailliert erfasst werden. Hierbei gilt es den jeweiligen Kosten-Nutzen-Aufwand durch das Laserscanning mit derzeit üblichen Monitoring-Maßnahmen zu kontrastieren, den Zeitaufwand durch optimierte Arbeitsabläufe zu verringern und den Datenaufbereitungsprozess zu standardisieren.
Irmela Herzog, Alden Yépez: Analyse von Prospektionsdaten am Ostabhang der Anden
Vor knapp zehn Jahren startete ein Prospektionsprojekt am Osthang der Anden, im Gebiet der Flüsse Quijos und Cosanga in Ecuador. Ziel der Prospektion war es, für dieses 137,5 km2 große Untersuchungsgebiet die Besiedlungsgeschichte zu rekonstruieren und damit auch die sozialen Prozesse, insbesondere die Entwicklung von Häuptlingstümern.Die häufig sehr dichte Vegetation in diesem topographisch stark bewegten Gebiet erlaubte eine mehr oder weniger systematische Aufsammlung von Funden nur auf einem geringen Teil der untersuchten Flächen. Andere Flächen wurden durch so ge-nannte Schaufelproben untersucht, das sind würfelförmige Erdaushübe mit einer Kantenlänge von ca. 60 cm. Insgesamt konnten 24024 Scherben auf 2154 Flächen dokumentiert werden. Hinzu kommen Funde aus 46 Sondagen (1×1 bzw. 1×2 m), sie bildeten die Grundlage eines relativen Chronologieschemas, das vier Perioden unter-scheidet, wobei ein Großteil der Funde der letzten noch nicht von spanischer Besetzung gekennzeichneten Periode zuzuordnen ist.Die so vorliegenden Daten wurden von den Autoren quellenkritisch untersucht. Für die Auswertung der Daten wird in der Regel eine Zufallsstichprobe voraus gesetzt. Erste textliche Hinweise auf systematische Verzerrungen fanden sich in der Publikation der Prospektionsdaten. Daraufhin haben wir angefangen, die Quellenfilter zu quantifizieren und nach Korrekturmöglichkeiten gesucht. So ist die geologische Situation im Untersuchungsgebiet durch Erdrutsche und Überschwemmungen kontinuierlichen Veränderungen ausgesetzt. Deshalb versuchten wir, aufgrund des Abrollungsgrades der Scherben und dem Anteil von Feinkeramik durch Verlagerungs- prozesse geprägte Flächen zu identifizieren. Außerdem untersuchten wir, ob Funde aus Schaufel- proben und Aufsammlungen vergleichbare Verteilungen aufweisen. Auf der Grundlage der aus diesen Arbeitsschritten gewonnenen Erkenntnisse werden Methoden vorgestellt, um die Prospektionsdaten so zu transformieren, dass sie stärker einer Zufallsstichprobe gleichen.